Buchrezension

[Rezension] Was weisse Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten – Alice Hasters

Januar 29, 2021

Titel: Was weisse Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten
Autorin: Alice Hasters
Verlag: hanserblau
Seitenzahl: 208

Alice Hasters hat von Kindsbeinen an mit Rassismus im Alltag zu kämpfen. Ihr Leben in Köln ist geprägt von Fragen wie „Kannst du Sonnenbrand bekommen?“ oder „Darf ich mal deine Haare anfassen?“, was auf den ersten Blick für weiße Menschen vielleicht harmlos wirkt, sind sie dennoch rassistisch. Und genau diesen Schmerzpunkt möchte Alice Hasters aufgreifen und darauf hinweisen, dass Rassismus nicht immer nur aus der rechten Ecke kommt, sondern ein strukturelles Problem in Deutschland ist.

 

 

Im Vorwort ihres Buches verweist Alice Hasters als Autorin auf ein Zitat der Schwarzen Dichterin und Aktivistin Audre Lorde, in dem es darum geht, dass Schweigen niemanden schützt. Obwohl das Thema Rassismus bereits auf vielen Ebenen, und eben auch literarisch, in Deutschland aufgegriffen wurde, scheint es nicht genug zu sein. Daher erzählt uns Alice Hasters ihre Geschichte und greift dabei auch auf Specher*innen vorheriger Bücher zurück, um deutlich mit dem Finger zu zeigen „Da seht, wir haben dieses Problem schon so oft aufgegriffen!“. Das dies immer noch nicht genug ist, und ein Buch wie das von Alice Hasters notwendig ist, sieht man in der medialen Welt mehr als deutlich. Noch immer diskutieren wir über den N****kuss, Black Facing und allgemein Kostüme zu Fasching oder schon der unzureichende Geschichtsunterricht in europäische, und eben auch deutschen, Schulen. Bereits beim Lesen des Vorworts wird klar, dass dieses Buch emotional geschrieben ist, aber auch wichtig, denn es erzählt nicht irgendwelche Fakten, es ist in vielen Dingen autobiografisch. Diese Dinge, dieser Rassismus, ist hier und real.

 

 

Das Buch unterteilt sich in fünf große Themenkomplexe und einem Glossar sowie einem Literaturverzeichnis am Ende. Jeder Themenbereich greift dabei in einen Bereich des persönlichen Lebens und wird, wie schon erwähnt durch persönliche Erlebnisse der Autorin unterstrichen. So geschieht es im Geschichtsunterricht, dass über das N-Wort gesprochen wird. Es wird nach Alternativen gesucht, doch dabei wird nicht auf die einzige WoC in der Klasse gehört. Bewegen wir uns hier noch auf dem Bereich der persönlichen Erfahrung, so schockiert es viel mehr zu lesen, wie die „Ur-Väter“ der deutschen Philiosophie-Schule rassistische Niederschriften verbreiten. In deutschen Schulen wird nicht davon berichtet, dass Immanuel Kant Schwarze Menschen als wild und unmenschlich beschrieb. Unser eigenes Bildungssystem übergeht diese Lücke, und das sicherlich bewusst, denn es passt nicht ins Bild dieser deutschen Vordenker und davon soll unsere Kultur der Dichter und Denker nicht beschmutzt werden. Und genau aus diesem Grund, und vielen weiteren, ist es ein Buch wie „Was weisse Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten“ so wichtig, weil es die blinden Flecken, den versteckten Alltagsrassismus schonungslos aufdeckt und aufklärt. Wir sehen uns als Land der Aufklärung, doch beim Thema Rassismus sehen wir rot und erkennen nicht, dass es hier mehr als nur ein kleines Problem aus der rechten Ecke gibt. Dabei immer nur auf die USA zu zeigen ist, falsch auch in Deutschland gibt es mehr als genug Weiße, die sich und alle anderen als besser, fast schon als menschlicher, verstehen. Gerade die Intimität mit der Alice Hasters die Themen aufarbeitet, und der Einschub historischer Hintergründe, welche zeigen, wie lange dieses Thema bereits brisant ist, aber nicht gelöst wird, macht dieses Buch in meinen Augen zu einer Pflichtlektüre.

 

 

Beim Lesen hatte ich immer wieder Gänsehaut und Aha-Momente, denn auch wenn ich von mir selber sage, das sich nicht rassistisch bin, so sagten mir die Namen Theodor Wonja Michael oder Marie Nejar nichts. Auch der Begriff des Colorism war mir bisher unbekannt, ebenso, wie weit White Saviorism um sich greift, auch wenn mir dieser Begriff – weiße Menschen glauben hier, BIPoC retten zu müssen – bereits bekannt war. Das eingangs beschriebenen Prinzips des Nicht-Schweigens gilt nicht nur für Schwarze Menschen, es sollte uns als weiße Menschen ebenso betreffen. Was hält dich davon ab, deinen Freund, welcher aus „Spaß“ das N-Wort benutzt, darauf hinzuweisen, dass dies rassistisch ist? Genau dieses Gefühl nehme ich nach dem Lesen dieses wirklich wichtigen Buches mit, dass wir nicht aus Bequemlichkeit an Strukturen, Wörtern oder Handlungsweisen festhalten können. Nur weil etwas über Jahrzehnte oder länger in Deutschland nicht als rassistisch galt, bedeutet es nicht, dass es dies nicht ist. Es bedeutet einfach nur, dass wir nicht hingehört oder hingesehen haben, als uns Schwarze Menschen darauf aufmerksam gemacht haben, weil weiße Menschen eben nichts über Rassismus hören wollen, aber definitiv mehr darüber wissen sollten.

 

 

 

 

Fazit:

Dieses Buch und die Message, welche Alice Hasters damit verteilen möchte, ist wichtiger denn je. Das wir uns im Jahr 2021 immer noch darüber unterhalten müssen, was rassistisch ist, zeigt, dass wir hier nicht aufgeklärt genug sind und noch einiges an Arbeit vor uns als Gesellschaft liegt. Umso wichtige ist es, denn Menschen zuzuhören, die von Rassismus betroffen sind. Für mich ist „Was weisse Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten“ eines der wichtigsten Bücher der letzten Jahre, welches noch viel präsenter in den Medien sein muss.


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