Buchrezension

[Rezension] Nichts leichter als das – Marnelle Tokio

Dezember 8, 2015

Titel: Nichts leichter als das
Autor: Marnelle Tokio
Seitenzahl: 288
Verlag: Carlsen
Originaltitel: More Than You Can Chew

Klappentext:
Weil „tote Mädchen keinen Abschluss machen“, wird die 17-jährige Marty kurz vor dem Examen in eine Klinik eingewiesen. Zwei Jahre lang hat sie sich fast zu Tode gehungert, denn das ist das Einzige, was sie kontrollieren kann: ob sie isst oder nicht. Allem anderen in ihrem Leben – dem Alkoholproblem ihrer Mutter, der Zurückweisung durch den Vater, den Ansprüchen ihres Freundes – fühlt sie sich ausgeliefert. Und das, obwohl sie intelligent, wortgewandt und äußert taff ist.
Ihre ersten Tage in der Klinik sind geprägt von Wut und Feindseligkeit, mit beißender Ironie lässt sie Mitpatientinnen, Pflegepersonal und Psychologen auflaufen. Dennoch muss sie sich den Regeln des Hauses anpassen: Essenszeiten, Gruppensitzungen, Einzeltherapie. Mit klarem Blick erfasst Marty den traurigen Zustand ihrer Mitpatienten und auch ihre eigenen Probleme, trotzdem ist jede Mahlzeit, jede Gewichtszunahme eine Qual und ein Kampf. Und so gibt sie weiterhin die Starke, die mit der großen Klappe, die sich umnichts schert. Erst als die 8-jährige Lily eingeliefert wird, öffnet sich Marty ein wenig und langsam geht es aufwärts. Doch der Weg zurück ins Leben ist alles andere als leicht. (Quelle: Verlag)

Meine Meinung:
Dieses Buch lag wirklich eine kleine Ewigkeit auf meinem Stapel der ungelesenen Bücher bevor ich es mir zur Hand genommen habe. Ich muss gestehen, dass ich keine großen Erwartungen in das Buch gesetzt hatte, um so überraschter war ich dann, als sich die Geschichte vor mir auffächerte.

Marty hat es wirklich nicht leicht. Ihr Vater ist immer abwesend, und ihre Mutter hat ein Alkoholproblem. Ihr Elternhaus ist als weit weg von perfekt, dennoch versucht Marty alles richtig zu machen, und kann doch nie jemanden zufrieden stellen. Als ihr alles  zu viel wird will sie zumindest die Kontrolle über einen kleinen Teil von sich, also beginnt Marty zu hungern. Nach 2 Jahren des Kampfs gegen das Essen wird sie eingeliefert in eine Klinik für Essgestörte. Dort lernt Marty die kleine Lily kennen, ihr Schicksal berührt sie und Marty wird klar, wie krank sie wirklich ist. Auf mich wirkte Marty immer stark und selbstbewusst. Sie ist zielstrebig, sportlich und clever, und genau das ist das Problem, deshalb ist es ihr gelungen so lange durchzuhalten beim Nicht-Essen, aber genau deshalb schafft sie es auch diese Sucht zu erkennen.

Im gesamten Buch ist Marty die Ich-Erzählerin, was denke ich eine gute Wahl ist, denn vor allem in heiklen Situationen lieferten ihre Gedanken oftmals mehr als ihr Mund aussprechen konnte. Die innere Zerrissenheit war wirklich gut beschrieben. Es findet ein ständiger Wechsel zwischen Tagebucheinträgen, Dialogen und Monologen statt, eine sehr gute Mischung.

Im Verlauf der Geschichte erkennen wir als Leser welche Entwicklung Marty durchmacht, wobei ich hier trotz des heiklen Thema immer wieder eine Gewisse Distanz im Schreibstil feststellen musste. Es fehlte mir der Tiefgang und auch die klaren Grenzen zwischen den Fortschritten die Marty macht. Trotz dieser kleinen Mängel bietet die Geschichte einen Einblick in Martys Leben in der Klinik und ihres Kampfs. Vor allem die Szenen zwischen Marty und ihren Eltern haben mich wirklich mitgenommen, hier schwebten einfach so viele Gefühle und Ungesagtes durch den Raum.

Das Ende hat es dann nochmal in sich, denn fast scheint es als würde alles kippen und die aufgestaute Traurigkeit seinen Weg in Martys Herz finden, doch ich möchte nicht zu viel verraten. Dieses Buch in konkrete Worte zu fassen fällt mir tatsächlich schwer. Das Thema Magersucht wurde ja bereits in vielen Büchern erörtert, wobei ich es gut finde, dass es in „Nichts leichter als das“, nicht nur darum geht das die Protagonistin ja nichts essen will oder alles erbricht, nein viel mehr geht es um das Gefühl und die Ursache des Ganzen. Damit distanziert es sich von der üblichen „Magersucht“-Lektüre und setzt an einem Punkt an der oftmals zu schnell an die Seite gepackt wird.

Fazit:
Ein gut geschriebenes Jugendbuch zu einem stets aktuellen Thema in unserer Gesellschaft. Mir fehlte leider an manchen Stelle der Tiefgang und das Gefühl von Distanz kam auf, wobei unklar ist ob dies an der Übersetzung oder am Schreibstil lag. Doch das Ende und auch Marty selbst konnten mich aufrütteln und begeistern. Ohne schlechtes Gewissen würde ich jedem der in diesem Genre nach guter Literatur sucht dieses Buch weiterempfehlen.

4 von 5

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