
Titel: Sieben letzte Tage
Autor: Robert Rutherford
Seitenzahl: 432
Verlag: Lübbe
Originaltitel: Seven Days
Übersetzer: Dr. Holger Hanowell
Vielen Dank an den Lübbe-Verlag für die Zusendung des Leseexemplares!
Ein Anruf verändert alles: Alice, erfolgreiche Strafverteidigerin und pflegende Tochter, erfährt, dass ihr entfremdeter Vater in den USA in sieben Tagen hingerichtet werden soll. Der Kontakt zu ihm liegt viele Jahre zurück – zu tief sitzt der Vertrauensbruch, der einst ihre Familie zerriss. Doch als Juristin spürt Alice schnell, dass mit dem Fall etwas nicht stimmt. Ist ihr Vater tatsächlich schuldig? Oder wurde er in ein perfides Netz aus Intrigen verstrickt?
Rutherfords Thriller setzt genau bei der Frage an, die man sich unweigerlich an dieser Stelle stellt: Ist Jim, der Vater von Alice, wirklich unschuldig? Von hier entfaltet sich die Geschichte rückwärts – vom siebten Tag bis zur geplanten Hinrichtung. Diese Erzählweise hat mich sofort in den Bann gezogen. Der Countdown erzeugt eine eindringliche Spannung, die mit jedem Kapitel zunimmt. Entscheidungen müssen schnell getroffen werden, Hinweise deuten in alle Richtungen, und immer bleibt die Frage: Wer sagt hier die Wahrheit?
Die Stärke des Romans liegt für mich eindeutig in seinem Konzept: Die umgekehrte Chronologie wirkt erfrischend und sorgt dafür, dass man als Lesende*r ständig mitdenkt, spekuliert, sich neu orientieren muss. Die Kapitel sind kurz, der Schreibstil wirklich sehr angenehm und man springt von Szene zu Szene, was auch teilweise einen Wechsel des Erzählenden mit sich bringt. Besonders gelungen ist die Art, wie Rutherford es schafft, juristische Details verständlich einfließen zu lassen, ohne zu überfrachten.
Alice als Hauptfigur hat mich überzeugt. Ihre Zerrissenheit zwischen ihrer Pflicht als Tochter und Schwester und der Bewältigung der Vergangenheit, zwischen persönlicher Verletzung durch den Vater als Kind und professioneller Integrität als Anwältin wirkt glaubhaft und zeigt sich in den ausschlaggebenden Momenten. Man spürt, wie sehr sie mit jeder Entscheidung hadert. Ihre Entwicklung gibt dem Thriller emotionale Tiefe.
Was mich dagegen weniger begeistert hat, waren manche Nebenfiguren. Gerade Figuren wie ihre Schwester oder einzelne Ermittlungsbehörden blieben für mich zu blass oder schablonenhaft. Sie dienen oft nur der Funktion innerhalb der Handlung, statt als eigenständige Charaktere zu wirken. Hier hätte ich mir mehr Nuancen und echte Reibung gewünscht, vor allem angesichts der familiären Dramatik, die im Hintergrund mitschwingt.
Trotzdem bleibt „Sieben letzte Tage“ ein spannungsgeladener Thriller, der viel richtig macht: Ein intelligenter Plot, hohes Tempo, moralische Dilemmata und eine starke Protagonistin – all das ergibt ein Leseerlebnis, das mich über weite Strecken gefesselt hat. Für Fans von psychologisch dichten Thrillern ohne viel Blutvergießen, dafür mit juristischem Einschlag ist es definitiv eine Empfehlung.
Fazit:
Robert Rutherford überzeugt mit einem ungewöhnlichen Erzählkonzept und einer durchgängig spürbaren Spannung. Besonders die emotionale Zerrissenheit der Hauptfigur verleiht dem Thriller Tiefe. Leider bleiben einige Nebenfiguren etwas blass – trotzdem ein fesselndes Leseerlebnis.




